Sobald man als österreichischer Staatsbürger, der in Österreich lebt, den Personenstand auf „männlich“ ändert, kann es sein, dass man via Brief die Aufforderung zur Musterung/Stellung vom Bundesheer erhält.
1) Wehrpflicht (§ 10 Wehrgesetz)
Wehrpflichtig sind alle österreichischen Staatsbürger männlichen Geschlechtes, die das 17. Lebensjahr vollendet und das 51. Lebensjahr noch nicht erreicht haben. Verpflichtung zur Leistung des Grundwehrdienstes besteht bis zum 35. Lebensjahr.
Transgender Personen sind nicht automatisch von der Wehrpflicht befreit.
Am 7.7.2021 wurde folgendes offiziell festgehalten:
„Transgender-Personen, welche nach entsprechender behördlicher Festlegung der Personenstandsbehörde dem männlichen Geschlecht angehören, unterliegen daher ebenso der Wehrpflicht, wie andere männliche Staatsbürger. Damit sind diese Personen grundsätzlich verpflichtet, den Grundwehrdienst zu leisten, sofern die Stellungskommission den betreffenden Wehrpflichtigen für „Tauglich“ befundet hat. Personen mit anderer individueller Geschlechtsidentität („divers/inter/offen“) können derzeit freiwillig Wehrdienst leisten.“
Quelle: https://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXVII/AB/AB_06473/index.shtml
Auch Personen, die ihren Personenstand vor dem 7.7.2021 geändert haben, können einberufen werden.
Info: Personen, die älter als 27 sind, werden nur einberufen, falls es eine Lage zwingend notwendig macht.
Warum kann der Zivildienst oder der Wehrdienst für trans Personen ein Problem darstellen?
Auf den ersten Blick, sieht die Entscheidung, dass trans Personen, die ihren Personenstand auf „männlich“ ändern, nicht mehr automatisch untauglich sind, nach einem guten Schritt in Richtung Gleichberechtigung aus.
Allerdings stehen viele trans Personen mitten im Leben, wenn sie ihren Personenstand auf „männlich“ ändern. Durch den Dienst wären sie somit verpflichtet 6 Monate oder 9 Monate (Zivildienst) von der Ausbildung oder vom Job auszusetzen.
Da die Personenstandsänderung meistens das erste ist, was in der Transition gemacht wird, stehen viele trans Personen erst am Anfang ihrer Transition.
Dadurch, dass gerade in militärischen Einrichtungen die Transphobie leider weiterhin stark vertreten ist, dürfte somit der Umgang mit trans Personen nicht wirklich angenehm sein (Mobbing/falsche Pronomen/körperliche Übergriffe, etc).
Ein paar Fragen
- Werde ich meine Arbeit verlieren, wenn ich den Wehrdienst oder den Zivildienst antrete?
Nein. Es gibt das Arbeitsplatzsicherungsgesetz:
„Arbeitnehmer, die zum Zivildienst einberufen sind, können vom Zeitpunkt des Erhaltes des Zuweisungsbescheides grundsätzlich bis zum Ablauf eines Monats nach der Beendigung des Zivildienstes ohne vorherige Zustimmung des Arbeits- und Sozialgerichtes weder gekündigt noch entlassen werden.“
Quelle: https://www.oesterreich.gv.at/themen/leben_in_oesterreich/zivildienst/Seite.150105.html
- Wie soll ich meine Miete mit einem Gehalt von 362,53€ pro Monat bezahlen?
Es gibt eine Wohnkostenbeihilfe und auch andere Beihilfen, die man beantragen kann:
https://www.oesterreich.gv.at/themen/leben_in_oesterreich/wehrdienst/4/Seite.140146.html#soziales
https://www.zivildienst.gv.at/einrichtungen/finanzielles.html#a-grundverguetung
Wie kann man als trans Person den Zivildienst oder den Wehrdienst umgehen?
Viele trans Personen haben noch andere (Psych-)Diagnosen, die sie untauglich machen.
Hier eine Liste an Beschwerden, die zu Untauglichkeit führen könnten, wenn man mehrere davon hat:
- Sehschwäche (Brille)
- Nährstoffmangel (z.B. Vitamin D, Eisenmangel)
- Kopfschmerzen/Migräne
- Testosteronmangel
- BMI (Untergewichtig bzw. Übergewichtig)
- Körpergröße („Zu klein für cismännliche Standards“)
- Allergien
- Asthma
- Skoliose
- Plattfuß, Knicksenkfuß
- X-Bein, O-Bein, Intoeing
- Unverträglichkeiten (Gluten, Laktose)
- Psychiatrische Aufenthalte mit Datum (Es darf geschwärzt werden, was nicht gelesen werden soll.)
- Depressionen (Sonstige psychologische Krankheiten)
- regelmäßige Einnahme von Medikamenten (z.B. Testosteron)
Die vorhanden Beschwerden müssen durch einen Hausarzt oder eine Hausärztin in einer Stellungnahme bestätigt werden.
Hinweis: Durch die Teiltauglichkeit ist man, wenn man beispielsweise „nur“ eine Depression oder kleinere „Beeinträchtigungen“ wie eine leichte Skoliose hat, nur „Vorübergehend untauglich“ (das heißt man wird in ein paar Jahren wieder einberufen) oder man wird als Teiltauglich eingestuft.
Psychische Diagnostiken werden nur von einem*einer psychiatrischen Facharzt bzw. Fachärztin anerkannt. Das heißt Stellungnahmen von einem*einer Psycholog*in bzw. Psychotherapeut*in sind nicht gültig.
Obwohl die Diagnose „Transsexualismus“ nicht mehr offiziell aus Ausschlussgrund gilt, ist es sicherlich hilfreich dennoch eine Kopie der psychiatrischen Stellungnahme, in der die Diagnose „Transsexualismus“ (F64.0) festgestellt wurde, mitzuschicken/mitzunehmen.
Außerdem muss folgender Fragebogen ausgefüllt und mitgeschickt/mitgenommen werden:
Nur der*die Amtsarzt bzw. Amtsärztin, der*die beim Stellungstermin vor Ort sein wird, können über tauglich/teiltauglich/untauglich/vorübergehend untauglich entscheiden. Also kann man beim Stellungstermin persönlich erscheinen und die Stellungnahmen dort vorlegen.
Da man sich allerdings beim Stellungstermin sicherlich diverse transphobe Kommentare anhören werden darf, kann man auch das Militärkommando telefonisch bitten, die zugesandten Stellungnahmen an diesen Amtsarzt oder diese Amtsärztin weiterzuleiten. Den Brief an das Militärkommando mit den Stellungnahmen unbedingt eingeschrieben versenden. Sollte man die Stellungnahmen via Email versenden, dann sollte man einstellen, dass man eine Lesebestätigung erhält, sobald die Email geöffnet wurde, damit man zeitnah telefonisch nach dem Status fragen kann.
Die Telefonnummer, Adresse und Email Adresse des zuständigen Militärkommandos steht auf dem Einberufungsbrief.
Sonst auch hier: https://www.bundesheer.at/adressen/a_milkden.shtml
Militärkommando Niederösterreich:
050201 3041032
milkdonoe@bmlv.gv.at
Erfahrungsgemäß muss man öfter beim Militärkommando anrufen und sie darum bitten die Unterlagen weiterzuleiten, da sie sich anfangs eventuell weigern. Es ist Glückssache welche Kommandantin oder welchen Kommandanten man erreicht. Außerdem sollte man am Telefon erwähnen, ob man in Wien oder in St. Pölten zur Stellung muss.
Hinweis: Da der Stellungstermin etwa ein Monat nach Erhalt des Einberufungsbriefes stattfindet und Termine bei Amtsärzt*innen meist erst nach einer Wartezeit von 1-3 Monaten möglich sind, wäre es ratsam sich direkt an das Militärkommando zu wenden. Außerdem muss der Amtsarzt oder die Amtsärztin, die beim Stellungstermin vor Ort sein wird, die Unterlagen erhalten. Diese Person herauszufinden könnte schwierig sein.
Eventuell erhält man anschließend den Untauglichkeitsbescheid. Sobald man untauglich ist, muss man auch keinen Zivildienst leisten, siehe hier.
Stellungsverfahren kurz
Falls das Militärkommando die Unterlagen nicht an den Amtsarzt oder die Amtsärztin weiterleitet und man zur Stellung erscheinen muss.
In St. Pölten gibt es das sogenannte „Stellungsverfahren kurz“, falls man Psy* oder andere Stellungnahmen, die eine Untauglichkeit suggerieren, vorweisen kann. Deshalb diese Stellungnahmen direkt am Anfang vorweise und dieses Verfahren ansprechen. Anschließend kommt man direkt zu einem*einer Psycholog*in, danach zu einem*einer Arzt/Ärztin und ist nach ein paar Stunden fertig. Man muss also nicht zwingend beide Tage dort verbringen.
Jegliche Zusicherungen, die telefonisch mitgeteilt werden, auch schriftlich anfordern, da sonst vor Ort behauptet wird „dass das Personal davon nichts weiß“. Man kann beispielsweise anfordern, dass man alleine untersucht wird und sich nicht ausziehen muss.
Bezüglich der Schlafsituation: trans Personen (unabhängig von HRT und OPs) haben immer einen Anspruch auf ein Einzelzimmer inkl. eigenen Timeslot für die Waschräume.
Hinweis: Man kann den Stellungstermin nur durch Krankheitsfall bzw. wichtige unverschiebbare Termine wie beispielsweise eine Uni Prüfung verschieben. Dazu wird eine Bestätigung benötigt. Schule/Uni/Berufsschule ohne Prüfungen oder Arbeit gelten nicht als unverschiebbare Termine.
Für weitere Hilfe steht auch die Wiener Antidiskriminierungsstelle (WASt) zur Verfügung: https://www.wien.gv.at/kontakte/wast
Erfahrungsberichte von der Stellung
Person 1:
„Also ich hatte zu dem Zeitpunkt, heuer Anfang Mai, meinen Hauptwohnsitz in NÖ, also bin ich auch nach St. Pölten geordert worden. War etwas vor meinem 26. Geburtstag und ein paar Monate nach meiner Personenstandsänderung.
Ich hatte von vorne herein nicht den Wunsch zum Heer zu gehen, aber falls sie mich tauglich befunden hätten, hätte ich auch wohl oder übel Zivildienst gemacht. (obwohl schwer mitten im Studium) Auf meine E- Mail mit der Frage ob ich als trans Dude dort hin muss (meine Therapeutin meinte nein lol), wo ich auch Befunde geschickt hab, hieß es ja, ich hab auch nochmal angerufen einfach damit sie Bescheid wissen und ich eventuell gewisse Sachen nicht machen muss und die Person im Büro hatte keine Ahnung.
Naja… Ich musste um 6.30 dort sein und sollte nüchtern sein. Ich hab so ziemlich alles an trans Diagnosen, anderen Diagnosen (physisch und psychisch) und meine Brille mitgenommen nur für den Fall, dass es wer braucht.
Zuerst war ein gefühlt ewiger Vortrag über das Heer, dann haben sie uns Blut abgenommen und dann war ein Raumwechsel, wo man sich quasi mit Ausweis nochmal anmeldet. Ich hab denen dort auch gleich mal meine Diagnosen vorgelegt und dort meinten sie „du wirst die körperlichen Tests nicht machen müssen und wirst untauglich geschrieben“ und haben drauf bestanden alle meine Unterlagen zu kopieren.
Zu früh gefreut, die nächste ranghöhere Person hat darauf bestanden, dass ich alle Tests mitmach, obwohl sie mich „wahrscheinlich untauglich schreiben“. Kurz zur Info, ich war zu dem Zeitpunkt cirka 8 Monate on T, aber bin nicht der größte oder most masc- e guy und passing war eher so eine 50/50 Sache. Ich glaub generell bin ich als wesentlich jüngerer Bursch wahrgenommen worden und deshalb auch nicht soooo großartig aufgefallen, auch wenn ich eigentlich wesentlich älter war als die meisten.
Irgendwann waren dann die psychischen und körperlichen Tests. Wir haben wunderschöne Shorts, T- Shirts und Badeschlapfen („hm die Größe müssen wir schauen ob wir haben“) vom Heer bekommen, hab mich mit den anderen Jungs umziehen müssen, hab meinen Binder angelassen und niemand hat was gesagt falls es wem aufgefallen wäre. Bei den körperlichen Tests war kraftmessen dabei („bemüh dich halt mal“), Seh- und Hörtest, Lungenkapazitätstest und man musste in einen Becher pissen. Da hatte ich Glück, weil zufällig zur gleichen Zeit, ein Dude drauf bestanden hat das in der Kabine machen zu dürfen anstatt beim Urinal während wer zuschaut. Das wäre sonst ziemlich awkward geworden! So ist halt ein Unteroffizier vor den geschlossenen Kabinen gestanden und hat uns beim Befüllen des Bechers bewacht lol. Irgendwann gabs Mittagessen (die schlechtesten Pommes meines Lebens, frag mich immer noch wie man die so ungenießbar hinkriegt).
Dann war ein Blutdruck Test und Kardio Zeug, da war für mich der erste richtig stressige Moment. Man sollte beim Stehen, gehen und Standfahrrad diese Klebedinger rauf bekommen und dafür „muss“ man das Shirt ausziehen und es sind halt einige Leute in dem Raum. Wäre mir auch egal gewesen vor den anderen an dem Punkt, wenn ich halt meinen Binder anlassen darf. Der Offizier dort hat extrem drauf bestanden, dass ich den Binder ausziehen muss und ich wiederum hab ihm gesagt dass ich das nicht machen werde. Es war grad am richtig ungemütlich werden („wenn ich sage zieh das Shirt aus dann hast du es auszuziehen“), dann ist der Arzt vorbei gegangen und ich hab ihn direkt gefragt, das wurde dann nochmal besprochen und schließlich sind wir zu dem Kompromiss gekommen, dass ich den Binder anlasse und den Test als letztes mache, wenn keiner von den anderen Jungs mehr im Raum ist. Das letztere war nicht der Fall aber das erste schon und so war es auch okay für mich. Also es ist schon gut da zu widersprechen, wenn man sich mit was gar nicht wohlfühlt und wenn möglich eine zweite Person zu fragen, weil generell wusste eh nie irgendjemand Bescheid wie sie mit mir umgehen sollen und jeder hat was anderes gesagt. Dann war ein psychologischer Computertest, den wir 2 mal machen mussten, weil alle Computer gecrasht sind. (der weirdeste Computer Raum den ich in meinem Leben gesehen habe) Ich hab da Dinge die mit psychischer Gesundheit zusammenhängen ehrlich beantwortet genauso wie die Fragen ob ich zum Heer will.
Dann war das Gespräch mit der Psychologin, das…. um einiges länger war als bei den anderen lol. Wir haben da die Ergebnisse besprochen, aber hauptsächlich hat sie richtig intrusive Fragen gestellt (z.b. Fragen zu Sexleben und Anatomie, sehr oft das Wort „Geschlechtsumwandlung“ und warum ich denn noch keine OP habe) Aber sie fand komisch, dass ich das alles machen muss, weil ich von ihrer Seite „eh untauglich“ eingestuft werde (habe neben f 64 noch andere Diagnosen). Am Ende, irgendwann am späten Nachmittag würde ich sagen mussten wir uns nochmal alle sammeln und uns ist der Ablauf vom nächsten Tag erklärt worden. Da ist uns auch eröffnet worden, dass man komplett nackt vom Amtsarzt begutachtet wird ich hab als die meisten weg waren die Frau, die uns das kommuniziert hat gefragt ob das auch für mich gilt und die hat mir förmlich ins Gesicht gespuckt „ihre Neigungen sind mir komplett egal, natürlich ziehen sie sich auch aus“.
Da freut man sich auf den nächsten Tag. Der ging so um 7 los und zuerst war man beim Amtsarzt und dann wurden die Bescheide übergeben. Bei der Ärztin drin, war noch ein Unteroffizier und ich hab denen auch gleich meine Befunde gegeben und sie haben auch drauf bestanden dass sie es kopieren müssen, obwohl das schon mehrmals gemacht wurde. Um ehrlich zu sein weiß ich nicht mehr genau was da die Untersuchungen waren, aber man kann es sich vorstellen wie eine reguläre Gesundenuntersuchung. Die Ärztin wirkte zunächst verständnisvoll, aber hat dann auch darauf bestanden dass ich mich auszieh („Oberkörper freimachen und Unterhose runter“). Ich hab natürlich nicht wollen, aber war an dem Punkt einfach nur müde und wollte es hinter mich bringen. Also hab ich nach etwas hin und her alles bis auf meinen Binder (ja auch die Unterhose 🙁 ) ausgezogen, sie hat mich von oben bis unten angestarrt und Notizen gemacht? Der Offizier war freundlich genug, währenddessen bewusst aus dem Fenster zu schauen. Dann war auch das vorbei und nach etwas warten hab ich dann meinen Bescheid bekommen. (surprise! Ich bin untauglich.) der ranghöhere Typ der mir das Dokument gegeben hat, hat auch noch eine ungute Bemerkung gemacht und war dann so „Sie wollen uns nicht und wir Sie nicht“ und ich war nur so… Ja? Ich weiß?? lmao
Alles in allem im Endeffekt eine ziemliche Zeitverschwendung, weil so viele Leute gesagt haben, dass sie nicht verstehen warum ich überhaupt da sein muss und ich wie erwartet untauglich war.
Meine Meinung ist halt, dass wenn trans Leute einberufen werden, mit ihnen auch professionell umgegangen werden muss und es für gewisse Dinge Ausnahmen geben soll, vor allem bei jüngeren Personen will ich mir nicht vorstellen was sowas anrichten kann. Es hätte weeeeesentlich schlimmer laufen können, aber ich hab mich eigentlich zu keinem Punkt wirklich sicher gefühlt dort. Ich hätte auch mehr auf gewisse Grenzen bestehen können, aber es war nicht leicht in einem so hierarchischen System das so auf Befehl ausgerichtet ist, vor allem wenn es sich um Leute handelt die es geil finden über andere Macht zu haben und deswegen auf gehorsam bestehen/dir das Leben schwerer machen. Ich hab mich dann mal so 2 Tage von dem ganzen erholen müssen, aber mittlerweile ist es schon fast eine lustige Story (Humor ist halt mein coping Mechanismus lol). Ich hoff wirklich, dass das Ganze in Zukunft sinnvoller und humaner gestaltet wird, weil wenn sie trans Personen einberufen, müssen sie auch Raum für sie machen.
Eine positive Sache an der eher negativen Erfahrung war bei mir, dass die anderen Jungs nichts Negatives gesagt haben oder blöd geschaut haben oder so. Die waren einfach auch alle uncomfortable und gestresst von den Leuten dort. Das hat mein Vertrauen an die Menschheit wieder ein bisschen aufleben lassen. Ich hab mich nicht ganz so viel unterhalten mit ihnen wie manch andere, aber ich bin auch etwas kontaktscheu.“
Person 2:
„Ich hatte die Personenstandsänderung an nem Mittwoch durch und hatte die Einladung zur Stellung bereits am darauffolgenden Samstag am Tisch daheim liegen. Ich hab als erstes voll Panik bekommen, weil ich ja doch noch in nem Frauenkörper war und zu dem derzeitigen Punkt noch nicht einmal mit Testo begonnen habe.
Da ich derzeit in NÖ wohne wurde ich in St. Pölten einberufen.
Ich hab dann die Woche drauf bei der Kaserne angerufen und erwähnt, dass ich eben trans bin und sie haben mir eigentlich versichert, dass sich eine Person um mich kümmert, es maximal 2 Stunden dauern wird und ich in einem eigenen Raum sein werde. Spoiler sie haben es nicht so gemacht.
Bei der Stellung konnte mir keiner sagen, wie lange ich dort bleiben soll. Es ging so weit, dass ich fast alle Untersuchungen mit den restlichen Jungs hatte und das vor allen. Trotz meines Protestes, dass mir zugesichert worden sei alleine untersucht zu werden. Hat nichts gebracht wurde nur angeschrien und mir wurde gesagt, dass sie nix davon wissen.
Die ganze Situation ist dann nur Gott sei Dank nicht so weit gekommen, dass ich mich bei den anderen Burschen ganz ausziehen habe müssen. Das wurde auch nur dadurch verhindert, da in diesem Moment alle, die noch nicht beim Psychologen gewesen waren, zu ihm gehen sollten. Erst in diesem Moment wurde ich ernst genommen…
Ich habe von den anderen Jungs, die bei der Stellung waren, sehr schräge Blicke bekommen und wurde sogar von einem Burschen heimlich fotografiert. Stress und Panik pur…
Von den zwei Stellungstagen musste ich einen von 6 bis 17 Uhr durchmachen. btw ich bin 17. Also es war ein scheißtag aber bin froh, es hinter mir zu haben.
Ich wurde untauglich geschrieben. lt. Offizier waren die Gründe dafür Depressionen, Tinnitus und BMI.“
Person 3:
„Nach meiner Matura 2019 hatte sich die Wiener Stellungskommission bei mir gemeldet, ich schrieb ein Email mit meinen Befunden (Diagnose F64) und bekam als Antwort zurück dass ich dann nicht zur Stellung antreten müsse.
Letzten Sommer (2022) bin ich nach NÖ übersiedelt und keine ganze Woche nachdem ich mich umgemeldet hatte kam ein Brief von der Stellungskommission St. Pölten. Nach drei Telefonaten war klar – ich muss auf jeden Fall antreten, daran führt kein Weg vorbei, da Transidentität alleine kein Grund zur Untauglichkeit mehr sein MUSS (dazu später genaueres).
An einem arschkalten Novembertag bin ich also frühmorgens in St. Pölten angekommen, durchaus hoffnungsvoll bald wieder heimzufahren, aber vorbereitet auch die Nacht dort verbringen zu müssen wie die meisten anderen. Direkt nach meinem Eintreffen (und einem Antigentest) bin ich mit meiner Mappe mit Befunden und Dokumenten meine Transition betreffend zum für die Neuankömmlinge zuständigen Kommandanten gegangen (der übrigens, wie wirklich alle weiteren Personen mit denen ich dort zu tun hatte, ausgesprochen freundlich, korrekt und easy-going war) welcher mich gleich und ohne dass ich mir den Vortrag anhören musste ins Nebengebäude geschickt hat, wo ich auf die Psychologin warten sollte.
Da mein Stellungsantritt um 6:30 und der Dienstbeginn besagter Psychologin erst um 9h war habe ich mein Buch ausgepackt und mir die Zeit mit Lesen vertrieben. Nach ca einer Stunde kam ein zweiter Typ, starker Autist mit Depressionen wie er mir erzählt hat, in den selben Wartebereich – es outet einen also nichtmal vor jedem als trans* wenn man dort für das Stellungsverfahren Kurz (so wird das vor Ort genannt) in Frage kommt.
Bei der Psychologin habe ich dann all meine Befunde vorgelegt und sie hat mir erklärt, dass eben Transidentität alleine kein Grund sein muss untauglich zu sein, es aber jedem mit eben dieser Diagnose freigestellt ist, ob er den Grundwehrdienst leisten möchte oder nicht. Da ich aber aufgrund eines medizinischen Problems sowieso untauglich gewesen wäre, selbst wenn ich nicht trans wäre, stellte sich die Frage für mich nicht.
Sie schrieb mir also die Empfehlung für einen Untauglichkeitsbescheid und ich nahm wieder draußen Platz, um mich auch noch ärztlich abchecken zu lassen, wo ich, aufgrund meiner mitgebrachten Befunde, auch für medizinisch untauglich erklärt wurde. Blutabnahme und Harnprobe musste ich nicht machen. Ich musste nur kurz das T-Shirt ausziehen, weil sie mich abhören mussten – Binder konnte ich anlassen. Bin mir auch ziemlich sicher dass sie NICHT darauf bestanden hätten, wenn ich mich geweigert hätte das Shirt auszuziehen.
Die restlichen 2einhalb Stunden vor Ort bin ich nur noch rumgesessen und habe auf den Oberkommandanten (keine Ahnung mehr wie dessen Bezeichnung wirklich war, aber halt das höchste Tier vor Ort) gewartet, der dann innerhalb von maximal 2 Minuten mich und den anderen Kollegen für untauglich erklärt hat und uns mit Stellungsgoodies (Rasierer usw) nach Hause geschickt hat.
Ich möchte noch einmal hervorheben wie freundlich und bemüht jede/r einzelne vor Ort war, mit dem ich zu tun hatte. In meinen langen Wartezeiten sind immer wieder die verschiedensten Mitarbeiter vorbeigekommen, jede/r hat gegrüßt, mir wurden Wasser und Kaffee angeboten usw. Alles in allem hatte ich davor ziemlich schiss, es war dann aber durchaus ein sehr positives Erlebnis und ich hoffe, ich kann hier jemandem vielleicht ein bisschen die Angst nehmen.
Als Tipp: Vor Ort wenn ihr ankommt sofort den ersten Menschen den ihr seht auf das „Stellungsverfahren kurz“ ansprechen bis ihr an den richtigen Mann geratet, sie sind wirklich bemüht es für euch dann möglichst angenehm zu gestalten 🙂
Ich hab damals spezifisch nachgefragt wegen der Schlafsituation – wenn du trans* bist hast du (unabhängig von HRT und OPs) immer einen Anspruch auf ein Einzelzimmer! Also wäre ich dort geblieben hätte ich ein privates kleines Zimmer und einen eigenen Timeslot für die Waschräume bekommen.“
Person 4 (Juli 2023):
„Am 14.03.2023 hatte ich meine PÄ. Erst am 15.04.2023 kam die „Einladung“ der Stellungskommission. Es hat einen ganzen Monat gedauert, deshalb dachte ich erst, es käme gar nichts mehr. Tja, da ich eben ein Mann bin, wollten sie mich versklaven. Das wollte ich aber nicht einsehen. Da ich im Frühjahr 2019 bereits ein schweres Trauma durchgemacht habe, an Angstproblemen, Depression, Hyperakusis, Wirbelgleiten, einer Essstörung und der Dysphorie leide, wollte ich kein zweites Trauma riskieren. Für mich war klar: die Stellung würde traumatisch verlaufen. Das hätte für mich das endgültige Ende bedeutet, weil ich schon einmal suizidgefährdet war. Ein weiteres Trauma hätte ich einfach nicht überlebt. Deshalb bin ich so vorsichtig und verweigere mitunter auch Dinge, wenn ich denke, dass sie für meine Psyche gefährlich werden könnten. Fürs Militär bin ich zu sensibel. Ich habe zwar in meiner Kindheit und Jugend mehrere Autismus Diagnosen erhalten, aber ich nehme mich selbst nicht als Autist wahr: im Gegenteil, mein Therapeut und Psychiater meinten beide, dass meine Beschreibungen nicht zu einem Autisten passen, sie seien „untypisch“. Was soll das Militär mit einem (falsch diagnostizierten) Autisten und hochsensiblen Sklaven? Das PTBS hat es mir lange Zeit unmöglich gemacht normal zu leben. Jetzt da es wieder mit mir bergauf geht, wollte ich mir das Leben nicht gleich wieder zerstören lassen. Selbst wenn ich Strafen erhalten hätte, wäre ich niemals zur Stellung gefahren. Einfach aus Selbsterhaltungsgründen.
Ich habe der Stellungskommission per E-Mail alle Dokumente geschickt, in denen Diagnosen stehen. Asperger Syndrom, Hebephrene Schizophrenie (die beide widerlegt wurden), mittelgradige Depression und Spondylolisthesis (das ist Wirbelgleiten). Insgesamt habe ich folgende Dokumente hingeschickt: gescannter Behindertenpass, alle Namensänderungsdokumente, Befunde vom PSD, vom Otto-Wagner-Spital (Psychiatrie), Chefärztliche Stellungnahme der PVA wegen Invalidität (dauerhafte Arbeitsunfähigkeit), KH Hietzing Befundbericht (Kinder- und Jugendpsychiatrie Rosenhügel). Für die Stellungskommission war offenbar nur das Dokument vom Otto-Wagner-Spital wichtig, wo dieses Zeug mit dem Autismus, der Schizophrenie und Depression drin steht – denn nur die wurden im endgültigen Stellungsbeschluss zitiert. Dass ich Brillenträger und stark Übergewichtig (wegen einer Essstörung durch die Dysphorie) bin, habe ich gar nicht erwähnt. Dazu habe ich keinerlei Dokumente. Ein Attest meiner Hausärztin als Bestätigung wäre möglich gewesen, war dann aber zum Glück nicht nötig.
Am 10.07.2023 kam dann der endgültige Stellungsbeschluss. Wer hätts gedacht: untauglich! Und das nur wegen der drei oben erwähnten von der Stellungskommission zitierten Diagnosen. Ich hoffe, ich konnte damit anderen trans Männern helfen, die vielleicht genauso große Angst haben, wie ich sie hatte. Es scheint schon auszureichen, psychiatrische Diagnosen zu haben, um als untauglich zu gelten. Man kann bei der Stellungskommission alles per E-Mail regeln, mit etwas Aufwand, aber ohne aus der Wohnung gehen zu müssen, wenn man alle Befunde zuhause hat. Ich musste nicht persönlich zur Stellung erscheinen. Nur Mut, liebe trans Männer! Man sieht, kämpfen lohnt sich. Mit einer guten Prise Sturheit, wie ich sie zu Hauf habe, lässt sich vieles zur eigenen Zufriedenheit regeln. Nicht aufgeben!“
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